Immer wieder wird auf meine Timeline das Interview gepostet, das Jan Feddersen mit Daniel Cohn-Bendit über die Gelbwesten führte (taz vom 6.12.18). Den Leuten scheint insbesondere ein Satz zu gefallen: „Die Linke macht mal wieder den Fehler, den sie immer macht: Revolten, die ihr Herz erwärmen, schon für emanzipativ zu halten“. Über die Behauptung lässt sich streiten. Unleugbar ist allerdings, dass Cohn-Bendit sich vor keiner Faktenverdrehung scheut, um die Gelbwesten als rechtsextrem zu diffamieren. Das wäre nicht sonderlich erwähnenswert, wenn nicht beispielhaft für eine laufende Desinformationskampagne, deren Mechanismen in diesem speziellen Fall sich leicht rekonstruieren lassen. Dafür muss ich ein wenig ins Detail gehen. Aber es lohnt sich. Weiterlesen…
Monats-Archiv: Dezember 2018
Von Verklemmungen und Bewegungen
Als sie 1940 im Londoner Exil lebte, schrieb die französisch-jüdische Philosophin Simone Weil eine denkwürdige „Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien“. Die Demokratie, argumentierte sie, würde viel besser funktionieren, wenn jeder Mandatsträger sich im eigenen Namen entscheiden könnte und sich je nach Angelegenheit mit den einen oder anderen Kollegen unabhängig von ideologischen Zugehörigkeiten zusammenschließen würde. Stattdessen förderten alle Parteien Herdentrieb und Prinzipienvergessenheit. Laut Weil ist politischer Pluralismus dem Einparteisystem gegenüber einzig aus dem Grund von Vorteil, dass die totalitären Keime, die jeder einzelnen Partei innewohnen, sich dank der Konkurrenz gegenseitig neutralisieren. Indes sei der prinzipielle Mangel des politischen Geschäfts nicht aufgehoben, nämlich dass die Sorge um das Gemeinwohl von der Pflicht zur Parteidisziplin stets gedrosselt werde. Es gelte, eine bessere Gestalt zu erfinden. Weiterlesen…