Es gab eine Zeit, von den 40ern bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, als Entfremdungskritik allgegenwärtig war. Ohne diese prominente Zutat konnte keine gesellschaftskritische Theorie auskommen. Sie war der gemeinsame Nenner von sonst so verschiedenen Denkern und Strömungen wie Hannah Arendt, Erich Fromm, Cornelius Castoriadis, der Frankfurter Schule oder der Situationistischen. Dann kam die poststrukturalistische Wende und mit ihr wurde auf einmal der Begriff für obsolet erklärt und komplett entwertet. Trotz zaghafter Rettungsversuche ist der Terminus aus dem intellektuellen Diskurs so gut wie verschwunden. Anlässlich des 200. Geburtstags von Karl Marx erschien in der taz ein Artikel mit dem kategorischen Titel: „Entfremdung gehört ins Heimatministerium!“ Das war journalistische Effekthascherei, gewiss, doch selbst Axel Honneth, Leiter des Instituts für Sozialforschung, wundert sich über seine Amtsvorgänger: Wie konnten bloß Adorno und Horkheimer einen solch befremdlichen Fehler begehen? Hätten sie doch wissen müssen, dass die Entfremdungskritik auf unhaltbaren Prämissen ruht. Wir können also diesen plötzlichen Wegfall als einen signifikanten Marker betrachten, der auf die Scheidelinie zwischen Moderne und Postmoderne hinweist.
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