In der Tat ist Alternative ein fragwürdiger Begriff. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es sich um einen Begriff im eigentlichen Sinne handelt, so beliebig die Verwendung der Vokabel ist. Das hängt bereits an ihrer Doppeldeutigkeit. Zum einen bezeichnet Alternative eine Handlungsoption, gegenwärtig unterlegen, doch vermeintlich besser als die hegemoniale – also die Alternative zu etwas. Zum anderen bezeichnet aber das Wort die Möglichkeit selbst, zwischen zwei Optionen zu wählen – Man wird „vor einer Alternative gestellt“.
Aufstehen oder weiterschlafen, reden oder schweigen, einsteigen oder zurückbleiben: Zu jeder Entscheidung, die man im Alltag trifft, gibt es eine Gegenmöglichkeit. Auf diesem Niveau ist die Alternative so banal, dass sie keiner weiteren Erläuterung bedarf. Anders allerdings die Anwendung des Wortes auf große, politische oder soziale Zusammenhänge, also die Alternative, wie wir sie heute besprechen wollen. Da stolpert man auf nicht unerhebliche Probleme, und ehe wir mit der Diskussion beginnen, möchte ich ein paar Steine auf dem Weg aufzeigen.
Angefangen mit dem Verhältnis der alternativen Blaupause zum herrschenden Modell. Es ist nämlich so: Sobald zwei Gegensätze in Verbindung gebracht werden, wird eine gemeinsame Ebene implizit anerkannt. Die Polarisierung bedingt ein Schwingungsfeld. Wer Plan B sagt, muss sich auf Plan A beziehen. So selbstverständlich ist das nicht. Zum Beispiel würde niemand auf die Idee kommen, die Gleichstellung von ethnischen oder sexuellen Gruppen als eine „Alternative“ zum Rassismus oder Sexismus zu bezeichnen. Weil Rassismus oder Sexismus keine Optionen sind, deren Vor- und Nachteile gegenüber der anderen Position zur Diskussion stehen.
Warum wird überhaupt zur Alternative gegriffen? Meistens schwingt bei dem Begriff der Drang mit, etwas der Frage entgegnen zu können: „Ja, du kritisierst immer, aber was schlägst du denn konkret vor?“ Schnell gerät man dann in die Falle der konstruktiven Lösungsvorschläge. Es ist deswegen eine Falle, weil der auf diese Weise definierte Möglichkeitsraum meistens wesentliche Faktoren ausschließt. Schauen wir nur, wie heute die gewaltige Herausforderung der Umweltkatastrophe auf erneuerbare versus fossile Energiequellen, sprich: auf eine rein technische Alternative verkleinert wird. So bleiben keine geringeren Aspekte außen vor als Produktionsverhältnisse, Eigentumsrechte, Konsumverhalten oder soziale Ungleichheit. Es ist natürlich nichts Verwerfliches daran, praktikable Lösungen zu entwerfen. Der Irrtum ist aber zu glauben, dass solche Vorschläge konkret seien. Das sind sie nicht, solange sie von ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang abstrahiert bleiben. Weiterlesen…