Einträge mit dem Schlagwort: Florian Illies

Vorkriegszeit (Teil 1)

Wlodawa

Es ist ein absurder Brauch des Kulturmarktes, sich einzig nach Jubiläen zu richten. So bahnbrechend eine neue Kleist-Biographie sein möge, kein Verleger würde sie jetzt in sein Programm aufnehmen. Kleist? Das war doch vor zwei Jahren! Und alle Sachbuchstreber und Biographiemacher begeben sich auf die fiebrige Suche nach anstehenden Geburts- oder Todestagen, um die Nachfrage rechtzeitig zu erfüllen.

So ist es kein Wunder, dass der Bestseller des Jahres Florian Illies’ 1913 war. Seit ein paar Wochen wird es von Christopher Clark’s Die Schlafwanderer eingeholt, einem Vorboten des kommenden 1914-Gedenktsunamis. Ein Bestseller muss nicht unbedingt ein schlechtes Buch sein. Doch ist Illies’ Anekdotensammlung ein schlechtes Buch, besser gesagt: eine Wohlfühl-Umschreibung der Geschichte. Da wird ein Bogen zwischen dem angeblichen „Sommer des Jahrhunderts“ und der „Generation Golf“ gespannt, welcher bloß von kleinen Betriebsunfällen unterbrochen gewesen sei. Das ist deswegen bedauernswert, weil das Thema wirklich spannend ist und Besseres verdient hätte.

 Auch ich hatte mich mit jenem Jahr beschäftigt, freilich nicht um einen Bestseller zu schreiben, sondern um etwas gegen die laufende Jubiläenwut zu unternehmen. Letztens wurde in Leipzig ein erbärmliches „Reenactment“ der 1813er Völkerschlacht inszeniert. Als ich dort noch tätig war, hielt ich es für nötig, darauf hinzuweisen, dass der hässliche Klotz namens Völkerschlachtdenkmal, 1913 eingeweiht, nicht so sehr ein Andenken an einen vergangenen Sieg war, als eine Einstimmung aufs bevorstehende Gemetzel. Als ich zu diesem Zweck zu recherchieren anfing, stieß ich auf (mir zumindest) wenig bekannte Tatsachen, die ich im Folgenden untersuchen werde. Weiterlesen…