Immer gerechter zu

Schaumkuss-1

Konversation in einem senegalesischen Dorf:

„Hey, Mamadou, ich habe eine tolle Nachricht: Wir können nach Europa auswandern!“

„Echt? Wieso geht das auf einmal?“

„Wir müssen nur aussagen, dass wir schwul sind und aufgrund dessen hier verfolgt werden.“

„Ich bin aber nicht schwul!“

„Dann musst du es werden.“

„Reicht es nicht, nachzuweisen dass ich hier verhungere, keine Zukunftschancen habe und politisch unterdrückt bin?“

„Nein, das alles interessiert die Tubabs nicht. Da lassen sie dich vor Lampedusa ertrinken. Nur die Schwulen werden reingelassen. Das hat der europäische Gerichtshof gerade entschieden. Ohne Coming-Out kein Coming-In.“

„Meinetwegen, dann bin ich halt schwul.“

„Moment, so einfach ist es nicht. Wir müssen unsere sexuelle Orientierung glaubhaft belegen. Wenn der Behördenmitarbeiter an unsere Homosexualität zweifelt, lehnt er den Asylantrag ab.“

„Sind die Behördenmitarbeiter alle schwul?“

„Davon würde ich nicht ausgehen. Aber wahrscheinlich haben sie eine Ausbildung absolviert, um Simulanten zu erkennen.“

„Ok, dann küssen wir uns vor dem Bürokraten.“

„Das geht nicht. Asylanträge sind individuell.“

„Ich habe eine Idee. Wir drehen ein Sexvideo und jeder von uns bringt denen eine Kopie mit. Nicht, dass es mir besonders gefalle, dir einen zu blasen, aber wenns dem Bleiberecht dient…“

„Nein, das haben einige schon probiert. So wie andere auch beweisen wollten, dass sie vor einem Schwulenporno einen Steifen kriegen. Das wird nicht zugelassen.“

„Wieso denn nicht?“

„Ein solcher Beleg würde deine Menschenwürde verletzen.“

„Meine was?“

„Menschenwürde.“

„Wird nicht meine Menschenwürde vom meiner Armut tagtäglich negiert?”

„Die Europäer haben eine andere Vorstellung von Würde. Es reicht nicht, der elenden Mehrheit anzugehören. Man muss noch Teil einer besonderen Gruppe sein, die von dieser Mehrheit als andersartig betrachtet wird.“

„Was bedeutet das?“

„Es bedeutet, dass du ungestört verhungern kannst, solange du deine Sexualität öffentlich ausleben darfst.“

„Warum wollen die Europäer keine heterosexuellen Afrikaner aufnehmen? Haben sie zu viele Kinder?

„Nein, im Gegenteil, sie beschweren sich ständig darüber, dass ihre Bevölkerung schrumpft.“

„Du, so sehr ich versuche, ich werde diese Tubabs nie verstehen. Sei’s drum. Wie machen wir das nun?“

„Die EuGH-Richtlinien sind unklar formuliert. Bewusst unklar, wie ich vermute, damit viele Antragsteller abgewiesen werden. Wir müssen uns schlau machen, um die Befragung glaubhaft zu beantworten.“

„Ich habe eine bessere Idee. Wir eröffnen hier eine kostenpflichtige Beratungsstelle, bieten eine Ausbildung an: Wie gebe ich mich als verfolgter Schwuler aus? Da hätten wir sicher dutzende Kunden. Unser Beitrag zur Steigerung des Bruttosozialprodukts Senegals.“

„Genau! Vielleicht bekämen wir gar eine Subvention von irgendeiner NGO dafür, das ist doch humanitäre Hilfe pur.“

2 Antwort auf “Immer gerechter zu”

  1. Hans Lutz Oppermann

    Satire – wenn es nicht so ernst wäre, würde ich ja gerne, aber das ist so schön böse u. wahr – lachen…doch mit dem Burggraben Europa, dem Mittelmeer bleibt einem der Sarkasmus im Halse stecken….Wir sind ja so vom Humanismus beseelt und sowenig von Ängsten getrieben, dass ist uns keine Hürde als Ausrede zu schade ist … bloß nicht wegen Hunger und Durst flüchten, e muss schon was anspruchsvolleres sein, denn wo kämen wir dahin, noch jemanden an unser überquillenden Esstisch zu setzen – am Büffet wird nix geteilt, Finger weg!

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