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Neues aus dem antikapitalistischen Kapitalismus

adplakatOccupy-Wall-Street-Plakat von Adbusters, jetzt von Walmart verkauft

Crowdfunding ist die gemütlichere Form des Bettelns. Anstatt an einer kalten Straßenecke zu stehen und Menschen direkt anzusprechen, sitze ich im warmen Nest vor dem Computer und versuche, über soziale Netzwerke die Öffentlichkeit für eine gute Sache zu gewinnen. Spenden ein paar Hunderttausende einen kleinen Obolus, dann ist die Finanzierung meines Konzepts gesichert. In Zeiten des Subventionsabbaus und der ausbleibenden Sponsoren werden wir immer häufiger darum gebeten, für die Realisierung eines Filmes, eines Musikalbums oder eines politischen Projekts einen bescheidenen Betrag zu überweisen. Selbstverständlich haben sich Internetplattformen auf Schwarmfinanzierung spezialisiert, am erfolgreichsten das US-amerikanische StartUp-Unternehmen Kickstarter. Das tun sie nicht aus reiner Nächstenliebe, Kickstarter erhebt eine Vermittlungsprovision in Höhe von 5% der erreichten Summe (dazu kassiert Amazon-Payments auch etwas). Bei der Gesamtmenge der Mikrotransaktionen ein gutes Geschäft. Aber auch für die Projektmacher kann Schwarmfinanzierung einen Geldsegen bedeuten. So kam der Autor des Comics „The order of the stick“ auf eine unverhoffte Million Dollar, ein Design-Projekt sogar auf zehn Millionen.

Derzeit wird durch Crowdfunding für ein originelles Alternativprojekt geworben: eine „gewaltlose Occupy-Wall-Street-Bürgerwehr“. Es gehe dabei um nichts weniger als „die existierenden Machtstrukturen zu zerlegen“ – diese Floskel reicht schon, um Misstrauen zu erwecken. Alle meinten, OWS sei schon lange tot, doch bleiben unter diesem Namen eine Webseite und ein Twitter-Konto aktiv, welche am Anfang der Besetzung von der „transgender Anarchistin“ Justine Tunney angemeldet worden waren. Nachdem sich Tunney mit anderen Promis der Bewegung wie David Graeber überwarf, hat sie die Marke OWS eigenhändig übernommen. Wir wollen jetzt nicht diskutieren, was zum Teufel eine gewaltlose Volksarmee soll. Wahrscheinlich läuft das Konzept auf eine Art Grundeinkommen für Black-Block-Chaoten hinaus. Viel interessanter ist die Tatsache, dass Justine Tunney seit Auflösung der Zuccotti-Park-Besetzung für Google als Software-Ingenieurin arbeitet. Nach eigener Aussage sei sie an Krebs erkrankt und müsse sich daher ausverkaufen – wogegen es nichts einzuwenden gäbe, würde sie nicht gleich dazu erklären: „Zwar operiert Google innerhalb des kapitalistischen Systems, aber sie tun viel Gutes für die ganze Welt. Weiterlesen…

Das Google-Evangelium

„Es mag sein, dass das Privatleben eine Anomalie ist.“ Das sagt Vint Cerf, der als Chief Internet Evangelist bei Google eingestellt ist. Ich dachte, „Evangelist“ sei ironisch gemeint, aber nein, es ist eine offizielle Jobbeschreibung in der Software-Branche. In Wikipedia erfährt man dazu: „The word is taken from the context of religious evangelism due to the similarity of relaying information about a particular set of beliefs with the intention of converting the recipient.

Offensichtlich ist Google die moderne Form der Heiligen Inquisition. Obwohl heute in Zwielicht geraten, war die Inquisition auch eine Art Suchmaschine. Inquirere heisst ja untersuchen. Sie wollte nur das Böse bekämpfen (vergleiche das Google-Motto: „don’t be evil“). Ihrer Hauptfunktion, der Seelenführung, hat sich Eric Schmidt, Googles Executive Chairman verschrieben: “I actually think most people don’t want Google to answer their questions, They want Google to tell them what they should be doing next.”

Schließlich geht es immer darum, die Sünde auszurotten, besser gesagt die Menschen von der bloßen Vorstellung abzuwenden, eine böse Tat zu begehen, so Schmidt weiter: “If you have something that you don’t want anyone to know, maybe you shouldn’t be doing it in the first place.”

Gegen Sekten wie die Scientologen regen sich alle auf. Auch staatliche Spähprogramme werden nicht voll und ganz akzeptiert. Hingegen setzt sich die Google-Inquisition reibungslos durch. Für die Beseitigung der Privatanomalie ist ein Privatunternehmen am effektivsten. Unter anderem weil es sich die besseren Evangelisten leisten kann.