Schließlich bin ich auch ein Tier

In letztem Frühjahr kam es in Leipzig zu heftigen Protesten der Tierschützer gegen eine Aufführung des „Orgien Mysterien Theaters“ vom Altaktionisten Hermann Nitsch, wobei ein Rind so wie ein paar Schweine geschlachtet werden sollten. Zu diesem Anlass veröffentlichte ich das folgende Manifest.

 

Sie haben vielleicht schon davon gehört: Im Namen der Kunst werden wehrlose Tiere barbarisch missbraucht. Da muss ich sagen: Auch ich finde das nicht in Ordnung und meine, sie sollen mit dem Mist aufhören, die da drüben im Gewandhaus.

Dort so wie in sonstigen Tempeln der Klassik werden regelmäßig Folterinstrumente vorgeführt, die sich Geigen nennen. Für diejenigen die noch nie im Gewandhaus waren: Eine Geige besteht aus zwei Teilen, der Geige selbst und dem Bogen. Der Bogen ist mit Pferdehaar bespannt. Zu diesem Zweck wird unschuldigen Pferden der Schweif abgeschnitten. Das ist schon Folter, wenn man bedenkt, dass das Pferd sich dann nicht mehr gegen Mücken, Fliegen oder Zecken wehren kann. Aber es kommt noch schlimmer. An der Geige werden Saiten aufgespannt, die aus Katzendarm gemacht sind! Stellen Sie sich vor, wie kleinen, süßen Kätzchen der Bauch aufgeschlitzt wird, wie das Eingeweide rausgenommen und zu Geigensaiten verarbeitet wird. Grauenvoll. Unfassbar ist vor allem, dass Sadisten in Abendanzug und Sadistinnen in Abendkleid ins Gewandhaus strömen, um genüsslich zu erfahren, wie Pferdehaar an Katzendarm gerieben wird. Und das nennen sie Hochkultur.

Wir reden hier von Massenmord. Ein Symphonieorchester hat 23 erste Violinen, 20 zweite Violinen und 16 Bratschen. Mal 4 Saiten macht: 236 tote Katzen. Vielleicht werden da Besserwisser erwidern: Man sagt zwar, dass die Saiten aus Katzendarm gemacht sind, doch eigentlich werden Därme von Schafen und Eseln verwendet. Da sage ich nur: Na und? Sind nicht Schafe und Esel auch fühlende Individuen?

Ich habe nur die Geigen erwähnt, ebenso hätte ich von den Pauken reden können, deren Membranen aus den Häuten armer Ziegen bzw. Kälber gemacht sind. Es ist nun mal wirklich Zeit, mit solchen barbarischen Praktiken aus dem Mittelalter aufzuhören. Wir müssen fordern, dass im Gewandhaus künftig nur noch elektronische Musik gespielt wird.

Aus diesem Anlass war ich beim Tierschutzverein zu Besuch. Da sitzen sehr engagierte Menschen. Es sind wahre Fanatiker des Guten. Wenn nötig, würden sie vor der Entscheidung nicht lange zögern, ein Menschenleben zu opfern, um ein Tierleben zu retten. Dort wurde mir die universelle Erklärung der Tierrechte ausgehändigt. Es ist ein interessantes Dokument, sehr fortschrittlich, ja sogar vorteilhafter als die universelle Erklärung der Menschenrechte. Da sind ein paar Artikel drin, die man gern für sich in Anspruch nehmen möchte. Zum Beispiel Artikel 4: „Alle Tiere haben das Recht in ihrem natürlichen Lebensraum frei zu leben, sei es auf Erden, in der Luft oder im Wasser. Jeglicher Freiheitsraub, auch aus Erziehungsgründen, ist gegen dieses Recht.“ Das Gefühl hatte ich als Schüler auch.

Dann geht es marktkritisch weiter: „Wenn der Mensch die Lebensgewohnheiten der Tiere zu Handelszwecken ändert, verstösst er gegen dieses Recht.“ Auch meine Lebensgewohnheiten werden permanent zu Handelszwecken geändert, aber in der Menschenrechtserklärung steht nichts dazu. Ähnliches gilt dem arbeitskritischen Artikel 7: „Alle Arbeitstiere haben das Recht auf eine annehmbare Arbeitsdauer und –last, auf stärkende Ernährung und Ruhe.“

Dieses Recht will ich auch haben. Ich habe mich also entschieden: Fortan verzichte ich auf meine Menschenrechte. Ich möchte nur noch als Tier anerkannt werden.

2 Antwort auf “Schließlich bin ich auch ein Tier”

  1. Pauline

    Hallo :)
    Zunächst muss ich sagen, der Text sehr überzeugend sein kann.
    Doch denke ich, dass sie nicht richtig informiert sind !

    1. Geigensaiten werden seit dem Mittelalter nicht mehr aus Tierdarm hergestellt ( heutzutage nur noch auf Anfrage )
    Heutzutage bestehen Saiten aus einem Stahlseil, das mit Silber-, Bronze-, Kupfer- oder
    Aluminiumdraht umsponnen wird

    2. Saiten wurden nie aus Katzendarm hergestellt, sondern aus Schafsdarm (was die Sache auch nicht unbedingt besser macht).
    Faden, urspr. aus Schafsdarm, zum Vernähen von Wunden ♦ gewöhnlich übersetzt mit
    katzendarm“ und auf engl. cat „Katze“ und engl. gut „Darm“ zurückgeführt; der Faden wurde
    jedoch nie aus Katzendarm hergestellt, und die Herkunft des Wortes und warum es mit cat
    zusammengebracht wurde, ist nicht klar.

    3. Das Membran einer Pauke kann aus echtem Tierfell bestehen, doch meistens wird Kunstfell
    verwendet

    4. Der Bogen wir mit 80-125/130 cm langen Rosshaar bespannt. Ein großer Vorteil liegt darin, dass die Schwanzhaare wieder nachwachsen. Den Pferden geschieht dabei nichts. Sie bekommen lediglich einen “Haarschnitt”.
    Außerdem werden manchen Pferden der Schweif auch aus pflegetechnischen Gründen abgeschnitten

    In diesem Bericht stellen Sie uns Musiker (ich selbst spiele seit 8 Jahren Geige) als grauenvolle Menschen da. Doch wir sind nicht diejenigen, die wahllos Tiere schlachten. Das sind die Metzger, Jäger ect.
    Sie sollten sich also nochmal überlegen, wer wehrlose Tiere barbarisch missbraucht!!

    LG Pauline :)

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